Neuseeland per Fahrrad

Reiseberichte und Fotos zu einer fast 5000 Kilometer langen Fahrradtour durch Neuseeland. Dazu Tipps, Infos und vielleicht ein bisschen Inspiration zur Reiseplanung für künftige Neuseelandradler.

von Curio Bay Nationalpark bis nach Kaikoura

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Seit fast einem Monat sind wir nicht mehr allein unterwegs. Wir haben einen Schatten. Er heißt Mark und kommt aus Western Australia. Wir sind ihm bereits in Central Otago begegnet und seit dem Wiedersehen in der Curio Bay (Catlins Nationalpark) radeln wir gemeinsam durch den Süden und Westen Neuseelands. Mark ist wirklich ein lustiger Zeitgenosse. Er hat in seinem Leben schon alles mögliche gearbeitet (kleine Auswahl: Supervisor in afrikanischen Goldminen, Traktorfahrer auf riesigen australischen Farmen, Mädchen für alles in einer Raststätte im Outback, LKW-Fahrer und vieles, vieles mehr). Und zu jedem Job und jeder Lebensstation gibt es unzählige witzige Geschichten. Hier eine Top-5-Liste der besten Mark-Stories:

 

Irgendein Abend, irgendwo zwischen Catlins und Greymouth. Mark nimmt einen Schluck DB Drought Bier, die braunen Augen blitzen auf. Wir wissen: Jetzt kommt eine Anekdote!

5. Rettet die australische Backkultur!
"Hab ich euch schon die Geschichte erzählt, wie ein paar Blokes und ich den ältesten Kekshersteller Australiens retten wollten?" fragt er im typischen Aussi-Slang (immer durch die Nase sprechend). Und er erzählt, wie die Zeitungen und das Fernsehen darüber berichteten, dass der Traditionsbäcker wohl pleite gehen wird, weil so viele ausländische Keksfabrikanten den Markt überschwemmen. "Die gab's seit 120 Jahren, das ist für Australier so alt wie für euch 'ne gotische Kathedrale. Die durften nicht untergehen!" Mark und seine Mates beschließen also, von nun an nur noch die einheimischen Kekse zu kaufen. "Für immer, jawoll!!"
Ein paar Wochen später treffen sich alle wieder im Pub. Eher beiläufig kommen die Jungs auf die Plätzchen zu sprechen, alle schauen etwas betreten drein. "Also, mh. Habt ihr schon die Kekse probiert?" Mark blickt in die Runde. Einige nicken. "They taste like shit! Kein Wunder, dass die pleitegehen!" bricht es aus Mark heraus. Alle lachen, ein paar Wochen später ist die Fabrik geschlossen.

4. Der Stunt
"Früher bin ich Motorradrennen gefahren." Mark beugt sich nach vorn. "Und eines Abends standen da ein paar Mädels rum und ich wollte ein bisschen angeben. Mit Körpergröße kann ich ja nicht so beeindrucken!" Er grinst verschmitzt - Mark ist etwa 1,65 Meter groß. "Also hab ich einen Wheelie gemacht, ganz der unwiderstehliche Rebell." Dann aber hat er ein bisschen übertrieben. "Das Motorrad stellte sich zu hoch auf, ich kam nicht mehr an Bremse und Kupplung, rumste eine Treppe nach oben, vor mir öffnete sich die Tür zum Supermarkt, ich raste einmal längs hindurch und krachte volles Rohr in die Eiscremekühltruhe." Er lacht schallend. "Tja, jedenfalls wussten die Mädels dann wer ich bin. Der Buff Head, der mit dem Bike mitten ins Erdbeereis geplumpst ist!"

3. Busch Camping
"Ich hab irgendwo im australischen Busch gezeltet. Es war gegen Abend, die Sonne ging unter und die rote Erde ist aufgeflammt wie auf 'ner Postkarte". Er trinkt genüßlich ein Schluck Bier. "Dann hab ich nach unten geguckt und plötzlich war's aus mit der Idylle - auf meinen Beinen tummelten sich tausende Sandfliegen, die hatten sicher schon zwei Liter Blut abgezapft." Das Bier wird abgesetzt, wild gestikulierend erzählt er weiter. "Ich renne zum Zelt, will Insektenspray holen und höre plötzlich ein Geräusch wie von 'nem Hubschrauber." Und dann passierte alles gleichzeitig. "Ich springe ins Zelt, lande auf dem Rücken, gucke an die Zeltdecke und sehe ungefähr drei Millionen Moskitos, die da fröhlich rumsummen. Ich dreh mich um, stütze mich mit der Hand auf der Sonnencremetube auf - und der ganze Mist spritzt in einem riesigen Schwall über mein gesamtes Zeug. Schlafsack, Isomatte, Zeltboden, alles!" Mark greift wieder zur Bierflasche. "Was 'ne Nacht, ich sag's euch. Die Flecken sieht man immer noch!"

2. Die Radhose
"Das war auf meiner Radtour rund um Australien. Ich war schon ein paar Monate unterwegs und hab abends Wäsche gemacht." Keckerndes Lachen. "Und als ich meine Radhose gegen die Sonne aufhänge - da seh ich, dass die hinten komplett durchsichtig gescheuert ist. Ich bin mit bloßem Hintern durch halb Südaustralien gefahren!" Der Tisch erzittert unter unserem Lachen, wir können's uns bildlich vorstellen!

1. Wallaby
"Ein Freund von mir macht Bus-Buschführungen für Touristen. Unter anderem auch durch ein Gebiet, in dem die letzten Exemplare einer bestimmten Wallabyart leben." Mark kichert schon wieder in sich hinein. "Jedenfalls ist mein Kumpel grad dabei eine Durchsage zu machen: 'Und nun halten Sie die Augen offen! Wir haben viiiieeellleicht die sehr seltene Gelegenheit eines der....' Rrrruuummmpppsss!" Mark imitiert den Busfahrer und hüpft auf seinem Stuhl einmal auf und ab. Isel laufen schon die Tränen über's Gesicht. "Naja. Die Touristen haben tatsächlich eines der letzten 12
verbliebenen Wallabys zu Gesicht bekommen. Leider sind sie vorher drüber gefahren, es war also ein bisschen zu ausgefranzt fürs Urlaubsfotoalbum!"
(Ja, wir waren uns alle einig, dass das eigentlich eine furchtbare Geschichte ist - aber so erzählt konnte man nicht anders als lachen. Wir haben die Gelegenheit genutzt und Mark erklärt, was das deutsche Wort "Galgenhumor" bedeutet.)

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Jetzt sitzen wir alle drei in Greymouth in der Bibliothek. Morgen trennen sich unsere Wege, nachdem wir den gesamten Weg entlang der pinguinbevölkerten und seelöwenbewohnten Catlins und später der regenwaldbewucherten Westküste zusammen zurückgelegt haben. Es waren wirklich lustige Wochen. Eigentlich hatten wir uns schon in Invercargill von Mark verabschiedet, als wir zwei Tage bei Familie Grant residiert haben (siehe Reisebericht - Teil 11). Doch in Arrowtown, eine Goldgräberstadt 20 Kilometer von Queenstown entfernt, haben wir uns wiedergetroffen.

Ursprünglich hatten Isel und ich von Invercargill aus entlang der Southern Scenic Route nach Te Anau fahren wollen. Doch die ersten Januarwochen brachten der Westküste ungewöhnlich heftige Regenfälle. Brücken wurden zerstört, Straßen gesperrt, unzählige Wanderer mit Hubschraubern aus gefluteten Gebieten gerettet. Uns hatte es an der Ostküste nicht so schlimm erwischt, nass und kalt war es trotzdem. Und auch wenn die Catlins, vor allem die Curio Bay, wirklich sehr schön sind und wir dort endlich Gelegenheit hatten, die sehr seltenen Gelbaugenpinguine aus nächster Nähe zu sehen (Rrrruuuuummmmppppssss......uuups! - kleiner Scherz), waren wir doch erst mal bedient und wollten nur noch so rasch wie möglich nach Norden. Glücklicherweise war John, unser Gastgeber in Invercargill, sowieso auf dem Sprung nach Wanaka und nahm uns bis Queenstown im Familienjeep mit. So haben wir leider nicht den berühmten Fjordland Nationalpark besuchen können, auch wenn ich mich schon im Kajak auf dem Lake Te Anau gesehen habe. Als wir aber bei den ersten sommerlich warmen Sonnenstrahlen seit drei Wochen in Queenstown unser Zelt aufschlugen, wussten wir, dass wir das nicht bereuen würden. Und als ob uns auch der Wettergott ein positives Zeichen senden wollte, ruht seither ein dickes Hoch auf der Tasman Sea und bescherte uns unglaublich schöne Tage auf unserer gesamten Tour von Wanaka bis Hokitika. Wir fuhren durch den tropischen Regenwald des Westland Nationalparks, begleitet vom ohrenbesausenden Gezirpe der Grillen und bewunderten den Fox und den Franz Josef Gletscher, die ihren Weg wirklich bis tief ins Tal finden und wie hingezaubert zwischen Palmen und Farnen auftauchen.

Nun wird uns unser Weg wieder an die Ostküste nach Kaikoura führen. Wir versuchen uns am Lewis Pass, unserer letzten Überquerung der südneuseeländischen Bergrücken. Mark fährt die Westküste weiter hinauf. Wir hoffen, dass wir uns spätestens in Auckland wiedersehen. Die Chancen stehen gut, denn Ende März fliegen wir alle in Auckland los - wir Richtung Weimar und Mark nach Chile. Mal sehen, welche Geschichten ihm bis dahin wieder eingefallen sind!