Neuseeland per Fahrrad

Reiseberichte und Fotos zu einer fast 5000 Kilometer langen Fahrradtour durch Neuseeland. Dazu Tipps, Infos und vielleicht ein bisschen Inspiration zur Reiseplanung für künftige Neuseelandradler.

10 Tipps für das Radfahren in Neuseeland

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1. Radreiseführer "Pedaller's Paradise" von Nigel Rushton mitnehmen. Die Höhenprofile und Angaben zu Stores und Campingplätzen sind Gold wert.

2. Der Asphalt ist zum Teil sehr rauh und es liegt viel Glasmüll an der Seite. Am besten einen faltbaren Ersatzmantel mitnehmen.

3. Warnweste oder neonfarbenes Oberteil tragen, der Verkehr kann sehr heftig sein. In Neuseeland gilt Helmpflicht.

4. Bei längeren Touren empfiehlt es sich, was zum Abdecken der Räder mitzunehmen. Wir haben eine leichte Fahrradplane, die beide Räder fast komplett umhüllt. Bei dem häufigen Regen wirklich praktisch.

5. Zwischen 50 und 60 Kilometer am Tag sind gut schaffbar, wenn man etwas trainiert ist und auch noch etwas vom Nachmittag haben möchte. Unsere bisher längste Etappe waren 82 Kilometer (im Regen mit 500 Höhenmetern Anstieg). Im Northland sind 9 bis 12 Prozent Steigung übrigens keine Seltenheit.

6. Die Supermärkte haben in der Regel jeden Tag geöffnet. Die kleineren Stores haben teilweise sonntags oder montags geschlossen und sind auch in der Woche öfter nur bis 17 oder 18 Uhr geöffnet.

7. Das Department of Conservation (DOC) betreibt einfache und teils sehr günstige Zeltplätze (manchmal kostet eine Übernachtung nur 3 Dollar). Die sind meist wunderschön und einsam gelegen - mit dem Rad aber oft nur sehr kräftezehrend erreichbar, fast immer muss man einen schotterpistigen Umweg von einigen Kilometern in Kauf nehmen. Größere Campingplätze (motor camps) sind aber zahlreich und sehr gut erradelbar.

8. Küchen (meist ohne Geschirr), Internet (ca. 5 Dollar pro Stunde) und Waschmaschinen+Trockner (je 4 Dollar, Waschmittel gibt's in kleinen Portionen an der Rezeption) gehören zur Standardausstattung der motor camps.

9. In Bussen und Zügen darf man eingeschränkt Fahrräder mitnehmen. Man zahlt 10 Dollar extra und sollte das beim Ticketkauf unbedingt angeben. In Zügen dürfen insgesamt nur 4 Fahrräder mitgenommen werden.

10. Als ADAC Mitglied kann man eine kostenlose Mitgliedschaft beim AA bekommen (New Zealand Automobile Association). Man darf dann die recht detailierten Straßenkarten umsonst mitnehmen, die sonst ca. 6 Dollar das Stück kosten (19 Karten für ganz NZ). Radreiseführer kosten etwa 50 Dollar und gibt's u.a. auch beim DOC.

vom Taumarunui bis nach Whakapapa Village

Weiß Gott, wir haben versucht, diesen Ort zu verlassen. Aber was das Bermudadreieck für Skipper, ist Taumarunui für Radler. Ab und zu sieht man welche hinein fahren - aber niemals wieder heraus. Dabei hatten wir nur zwei Nächte bleiben wollen. Ein bisschen einkaufen, Wäsche waschen, vielleicht ein Bad im Fluss nehmen. Doch wir erlagen den Annehmlichkeiten ganz wie dereinst Asterix den Priesterinnen auf der Insel der Freuden. Und uns hat kein wildschweinhungriger Obelix retten können.

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Dabei war unsere Route fest geplant: Nach kurzer (!) Pause in Taumarunui sollte es auf dem Forgotten World Highway nach Stratford und dann New Plymouth gehen. Ein letztes Abenteuer vor der Rückkehr nach Auckland. Aber wir hatten die Rechnung ohne Helene und Phil gemacht, die einen wirklich tollen Campingplatz direkt am Wanganui River führen, von dem wir uns einfach nicht mehr wegbewegen wollten. Fast eine Woche lang haben wir uns es richtig gutgehen lassen: sonnen, baden, das Gemüse- und Kräutergärtchen plündern, am Lagerfeuer sitzen - und einfach mal kein Fahrrad fahren. Es war herrlich! Und ganz wie Bermuda oder die Freudeninsel, konnten auch wir diesem Paradies nicht ohne weiteres entfliehen. Als wir uns nämlich am vierten Morgen endlich auf den Weg machen wollten, fing es aus - ja! - heiterem Himmel an zu regnen. Seit Kaikoura hatten wir keinen Regen mehr gesehen und natürlich hatten wir wenig Lust ein nasses Zelt einzupacken. Zumal die bevorstehende Strecke von bergigen 80 Kilometern teils über Schotter führte. Wir blieben also einen weiteren Tag. Am fünften Morgen schafften wir es zumindest, alles einzupacken und die ersten 12 Kilometer auf dem Highway durch die "vergessene Welt" zu radeln, als es plötzlich einen lauten Schlag gab und eine Speiche an meinem Hinterrad brach. Genau dort, wo man die Kassette abbauen muss, um ranzukommen. Unmöglich das an Ort und Stelle zu erledigen, dafür sind unsere Mechanikerkenntnisse zu beschränkt. Also zurück zur Stadt und zwei weitere Nächte auf dem Campingplatz buchen! Letzten Endes haben wir den Bus nach Hamilton nehmen müssen - erst dieser feste Abfahrtstermin und die Ausgabe von 58 Dollar konnte uns aus Taumaranui wegbringen. (Ich bin nicht sicher, ob das im Falle eines Verlustiggehens in Bermuda auch Abhilfe schafft...). Irgendwann ist die Radfahrlust eben einfach nicht mehr groß genug, eine ernsthafte "Stör-mich-nicht-ich-mach-grad-nix"-Phase zu durchbrechen.

Die Wochen nach unserem Aufbruch aus Kaikoura waren aber auch sehr erlebnisreich. Mit dem Coastal Pacific Zug fuhren wir nach Picton, entlang wilder Küste mit dutzenden Seehundkolonien durch altes Maori-Siedlungsgebiet.

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Am Zielbahnhof wurden wir schon von Mark erwartet, der nach unserem Abschied in Greymouth die Westküste weiter hinauf gefahren war. Gemeinsam buchten wir für den nächsten Tag zwei Seekajaks, um die Malborough Sounds noch mal genauer zu erkunden. Es wurde ein aufgregender Tag! Im Hafen hatten sich Millionen kleiner, roter Krebse gesammelt, sehr ungwöhnlich - irgendwas "Großes" musste sie dorthin getrieben haben. Das jedenfalls erklärte uns die Frau in der Verleihstation. Dort wurde außerdem jeder Kajakleiher vor einen Lehrfilm gesetzt, der unter anderem zeigte, wie ein Paddler auf See ganz überraschend unter einem sprunghaften Orca begraben wurde. Ganz toller Film, wenn verängstigtes Walfutter um einen herumzappelt während man selbst in so eine gelbe Nussschale steigt. Ich versuchte nicht weiter darüber nachzudenken, wie groß dieses Wesen da draußen genau sein musste, sondern paddelte tapfer mit Isel als Steuerfrau und mit Mark im Beiboot in die verschlungenen Arme des Sundes. Das Wetter war herrlich, kein Wind kräuselte das Meer. Neben uns spielte ein Seehund im Wasser. Wie im Werbefilm (bzw. Verleihstation-Lehrfilm. Bis der Orca kommt...).
Mittags steuerten wir eine idyllische Bucht an, aßen kalte Hackklöpschen und sprangen in die Fluten. Gegen Nachmittag frischte der Wind jedoch auf und der Wellengang wurde merklich höher. An der Stelle, an der man wieder in den Picton Harbour einbiegt, wurde es ziemlich ungemütlich. Es treffen dort mehrere Strömungen aufeinander und man muss zudem die Fahrrinne der Fähren und Frachter kreuzen. Isel hat mich noch nie so schnell paddeln sehen. Wale waren längst vergessen, nun ging es eher darum, nicht an Felsen oder Fähre zu zerschellen oder eine Eskimorolle in Echtzeit zu üben. Nach einer guten dreiviertel Stunde knallharten Arbeitens hatten wir unser kleines Boot jedoch sicher in den Hafen navigiert. Die Krebschen waren immer noch da (ungefährt eine Tonne davon rottete bereits am Strand in der Sonne vor sich rum - die Möwen hatten lieber die Eiswaffeln der Touris aufgemampft).
Am nächsten Tag hieß es endgültig Lebewohl Südinsel. Mit der Fähre ging es über die unruhige Cook Strait zurück nach Wellington. Walsichtungen gab es keine, aber ein paar Delfine sprangen munter rund um das Bluebridgeboot.

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Nachdem wir in Wellington bereits im November einige Tage verbracht hatten, blieben wir diesmal nur zwei Nächte und fuhren dann mit dem Vorstadtzug nach Waikanae. Von dort ging es durch wenig spektakuläre Landschaft bis nach Wanganui. Eine hübsche Stadt an der Mündung des gleichnamigen Flusses. Wir entschieden uns, nicht den Highway 4 in den Tongariro Nationalpark zu fahren, sondern die idyllische, teils schottrige Wanganui River Road zu nehmen. Nach den langen, aber weniger steilen Bergen der Südinsel war die River Road eine ganz schöne Herausforderung. Für die letzte Etappe von nur knapp 45 Kilometern brauchten wir einen ganzen Tag. Doch wir wurden belohnt, konnten wir doch am späten Nachmittag kurz vor Raetihi einen ersten Blick auf die Vulkankrater des Tongariro Nationalparks werfen. Dorthin führte uns am nächsten Tag unser Weg, genauer ins winzige Whakapapa Village. Wir wollten eigentlich nur für zwei kleine Tageswanderungen bleiben. Aber als wir ankamen, trafen wir gleich auf Thomas und Mechthild, zwei Leipziger, denen wir schon in Invercargill begegnet waren. Sie hatten vor, den derzeit begehbaren Teil des berühmten Tongariro Alpine Crossing zu machen - eine Tageswanderung mitten durch aktives vulkanisches Gebiet zwischen Mt Tongariro und Mt Ngauruhoe (ja, das ist der Schicksalsberg aus Herr der Ringe). Wir hatten darüber nachgedacht, aber gehört, dass die ganze Strecke wegen des Vulkanausbruchs im November (siehe Reisebericht - Teil 7) gesperrt sei. Aber Thomas klärte uns auf - bis zum 1880 Meter hohen Red Crater mit Blick auf die grünen Emerald Lakes und den Blue Lake konnte man gefahrlos wandern. Und so buchten auch wir einen Platz im Shuttlebus und nahmen die knapp 17 Kilometer in Angriff. Sehr tolle Strecke, aber mit unseren Radturnschuhen auch teilweise ganz schön rutschig. Auf dem exponierten Red Crater, mit steilen Geröllhängen rundherum, war es mir auch durchaus ein bisschen mulmig zumute (meine Höhenangst geht auf ein traumatisches Erlebnis in den Pyrenäen zurück...). Aber es hat sich gelohnt, die Landschaft ist wunderschön und mit wenig zu vergleichen. Zerklüftet und karg, dennoch farbenreich und unendlich weit.

Von Whakapapa Village, das auf etwa 1200 Metern liegt, ging es am nächsten Tag den ganzen Weg bergab nach Taumarunui. Und dort sind wir also kleben geblieben, bis uns der Bus nach Hamilton brachte. Hier sitzen wir gerade in der Bibliothek und bringen Blog und Reisetagebücher auf den neuesten Stand. Am Montag werden wir uns wohl wieder in die Sättel schwingen und ostwärts Richtung Firth of Thames fahren, ehe es zurück nach Auckland geht. Weniger als zwei Wochen, dann sind wir in Deutschland! Wenn wir nicht wieder irgendwo verschwinden...

von Curio Bay Nationalpark bis nach Kaikoura

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Seit fast einem Monat sind wir nicht mehr allein unterwegs. Wir haben einen Schatten. Er heißt Mark und kommt aus Western Australia. Wir sind ihm bereits in Central Otago begegnet und seit dem Wiedersehen in der Curio Bay (Catlins Nationalpark) radeln wir gemeinsam durch den Süden und Westen Neuseelands. Mark ist wirklich ein lustiger Zeitgenosse. Er hat in seinem Leben schon alles mögliche gearbeitet (kleine Auswahl: Supervisor in afrikanischen Goldminen, Traktorfahrer auf riesigen australischen Farmen, Mädchen für alles in einer Raststätte im Outback, LKW-Fahrer und vieles, vieles mehr). Und zu jedem Job und jeder Lebensstation gibt es unzählige witzige Geschichten. Hier eine Top-5-Liste der besten Mark-Stories:

 

Irgendein Abend, irgendwo zwischen Catlins und Greymouth. Mark nimmt einen Schluck DB Drought Bier, die braunen Augen blitzen auf. Wir wissen: Jetzt kommt eine Anekdote!

5. Rettet die australische Backkultur!
"Hab ich euch schon die Geschichte erzählt, wie ein paar Blokes und ich den ältesten Kekshersteller Australiens retten wollten?" fragt er im typischen Aussi-Slang (immer durch die Nase sprechend). Und er erzählt, wie die Zeitungen und das Fernsehen darüber berichteten, dass der Traditionsbäcker wohl pleite gehen wird, weil so viele ausländische Keksfabrikanten den Markt überschwemmen. "Die gab's seit 120 Jahren, das ist für Australier so alt wie für euch 'ne gotische Kathedrale. Die durften nicht untergehen!" Mark und seine Mates beschließen also, von nun an nur noch die einheimischen Kekse zu kaufen. "Für immer, jawoll!!"
Ein paar Wochen später treffen sich alle wieder im Pub. Eher beiläufig kommen die Jungs auf die Plätzchen zu sprechen, alle schauen etwas betreten drein. "Also, mh. Habt ihr schon die Kekse probiert?" Mark blickt in die Runde. Einige nicken. "They taste like shit! Kein Wunder, dass die pleitegehen!" bricht es aus Mark heraus. Alle lachen, ein paar Wochen später ist die Fabrik geschlossen.

4. Der Stunt
"Früher bin ich Motorradrennen gefahren." Mark beugt sich nach vorn. "Und eines Abends standen da ein paar Mädels rum und ich wollte ein bisschen angeben. Mit Körpergröße kann ich ja nicht so beeindrucken!" Er grinst verschmitzt - Mark ist etwa 1,65 Meter groß. "Also hab ich einen Wheelie gemacht, ganz der unwiderstehliche Rebell." Dann aber hat er ein bisschen übertrieben. "Das Motorrad stellte sich zu hoch auf, ich kam nicht mehr an Bremse und Kupplung, rumste eine Treppe nach oben, vor mir öffnete sich die Tür zum Supermarkt, ich raste einmal längs hindurch und krachte volles Rohr in die Eiscremekühltruhe." Er lacht schallend. "Tja, jedenfalls wussten die Mädels dann wer ich bin. Der Buff Head, der mit dem Bike mitten ins Erdbeereis geplumpst ist!"

3. Busch Camping
"Ich hab irgendwo im australischen Busch gezeltet. Es war gegen Abend, die Sonne ging unter und die rote Erde ist aufgeflammt wie auf 'ner Postkarte". Er trinkt genüßlich ein Schluck Bier. "Dann hab ich nach unten geguckt und plötzlich war's aus mit der Idylle - auf meinen Beinen tummelten sich tausende Sandfliegen, die hatten sicher schon zwei Liter Blut abgezapft." Das Bier wird abgesetzt, wild gestikulierend erzählt er weiter. "Ich renne zum Zelt, will Insektenspray holen und höre plötzlich ein Geräusch wie von 'nem Hubschrauber." Und dann passierte alles gleichzeitig. "Ich springe ins Zelt, lande auf dem Rücken, gucke an die Zeltdecke und sehe ungefähr drei Millionen Moskitos, die da fröhlich rumsummen. Ich dreh mich um, stütze mich mit der Hand auf der Sonnencremetube auf - und der ganze Mist spritzt in einem riesigen Schwall über mein gesamtes Zeug. Schlafsack, Isomatte, Zeltboden, alles!" Mark greift wieder zur Bierflasche. "Was 'ne Nacht, ich sag's euch. Die Flecken sieht man immer noch!"

2. Die Radhose
"Das war auf meiner Radtour rund um Australien. Ich war schon ein paar Monate unterwegs und hab abends Wäsche gemacht." Keckerndes Lachen. "Und als ich meine Radhose gegen die Sonne aufhänge - da seh ich, dass die hinten komplett durchsichtig gescheuert ist. Ich bin mit bloßem Hintern durch halb Südaustralien gefahren!" Der Tisch erzittert unter unserem Lachen, wir können's uns bildlich vorstellen!

1. Wallaby
"Ein Freund von mir macht Bus-Buschführungen für Touristen. Unter anderem auch durch ein Gebiet, in dem die letzten Exemplare einer bestimmten Wallabyart leben." Mark kichert schon wieder in sich hinein. "Jedenfalls ist mein Kumpel grad dabei eine Durchsage zu machen: 'Und nun halten Sie die Augen offen! Wir haben viiiieeellleicht die sehr seltene Gelegenheit eines der....' Rrrruuummmpppsss!" Mark imitiert den Busfahrer und hüpft auf seinem Stuhl einmal auf und ab. Isel laufen schon die Tränen über's Gesicht. "Naja. Die Touristen haben tatsächlich eines der letzten 12
verbliebenen Wallabys zu Gesicht bekommen. Leider sind sie vorher drüber gefahren, es war also ein bisschen zu ausgefranzt fürs Urlaubsfotoalbum!"
(Ja, wir waren uns alle einig, dass das eigentlich eine furchtbare Geschichte ist - aber so erzählt konnte man nicht anders als lachen. Wir haben die Gelegenheit genutzt und Mark erklärt, was das deutsche Wort "Galgenhumor" bedeutet.)

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Jetzt sitzen wir alle drei in Greymouth in der Bibliothek. Morgen trennen sich unsere Wege, nachdem wir den gesamten Weg entlang der pinguinbevölkerten und seelöwenbewohnten Catlins und später der regenwaldbewucherten Westküste zusammen zurückgelegt haben. Es waren wirklich lustige Wochen. Eigentlich hatten wir uns schon in Invercargill von Mark verabschiedet, als wir zwei Tage bei Familie Grant residiert haben (siehe Reisebericht - Teil 11). Doch in Arrowtown, eine Goldgräberstadt 20 Kilometer von Queenstown entfernt, haben wir uns wiedergetroffen.

Ursprünglich hatten Isel und ich von Invercargill aus entlang der Southern Scenic Route nach Te Anau fahren wollen. Doch die ersten Januarwochen brachten der Westküste ungewöhnlich heftige Regenfälle. Brücken wurden zerstört, Straßen gesperrt, unzählige Wanderer mit Hubschraubern aus gefluteten Gebieten gerettet. Uns hatte es an der Ostküste nicht so schlimm erwischt, nass und kalt war es trotzdem. Und auch wenn die Catlins, vor allem die Curio Bay, wirklich sehr schön sind und wir dort endlich Gelegenheit hatten, die sehr seltenen Gelbaugenpinguine aus nächster Nähe zu sehen (Rrrruuuuummmmppppssss......uuups! - kleiner Scherz), waren wir doch erst mal bedient und wollten nur noch so rasch wie möglich nach Norden. Glücklicherweise war John, unser Gastgeber in Invercargill, sowieso auf dem Sprung nach Wanaka und nahm uns bis Queenstown im Familienjeep mit. So haben wir leider nicht den berühmten Fjordland Nationalpark besuchen können, auch wenn ich mich schon im Kajak auf dem Lake Te Anau gesehen habe. Als wir aber bei den ersten sommerlich warmen Sonnenstrahlen seit drei Wochen in Queenstown unser Zelt aufschlugen, wussten wir, dass wir das nicht bereuen würden. Und als ob uns auch der Wettergott ein positives Zeichen senden wollte, ruht seither ein dickes Hoch auf der Tasman Sea und bescherte uns unglaublich schöne Tage auf unserer gesamten Tour von Wanaka bis Hokitika. Wir fuhren durch den tropischen Regenwald des Westland Nationalparks, begleitet vom ohrenbesausenden Gezirpe der Grillen und bewunderten den Fox und den Franz Josef Gletscher, die ihren Weg wirklich bis tief ins Tal finden und wie hingezaubert zwischen Palmen und Farnen auftauchen.

Nun wird uns unser Weg wieder an die Ostküste nach Kaikoura führen. Wir versuchen uns am Lewis Pass, unserer letzten Überquerung der südneuseeländischen Bergrücken. Mark fährt die Westküste weiter hinauf. Wir hoffen, dass wir uns spätestens in Auckland wiedersehen. Die Chancen stehen gut, denn Ende März fliegen wir alle in Auckland los - wir Richtung Weimar und Mark nach Chile. Mal sehen, welche Geschichten ihm bis dahin wieder eingefallen sind!

In Neuseeland vom Pelorus River nach Dunedin

Der Regen will nicht aufhören. Wir sitzen noch immer beim Frühstück, ich koche zum zweiten Mal einen großen Topf Pfefferminztee. Die Fensterscheiben der Küche auf dem DOC-Campingplatz sind beschlagen; ab und zu huscht draußen ein durchnässter Camper vorbei. Aber langsam leert sich der Platz. Eigentlich wollten wir auch bloß eine Nacht an der Pelorus Bridge bleiben, aber im Dauerregen bleibt uns nichts anderes übrig als zu warten.

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Ich werfe einen Blick auf den Pelorus River, der nahe des Küchengebäudes vorbei fließt. Gestern noch schlängelte er sich lieblich blau schimmernd um die trockenen Kieselsteinbänke im Flussbett. Jetzt hat er eine matschig braune Farbe angenommen; von trockenen Stellen ist im Flusstal nichts mehr zu sehen. Fast minütlich steigt der Wasserpegel in die Höhe.
Ich vertrete mir ein bisschen die Beine und schlendere zur Kiste mit den Büchern und Magazinen ("Mein Weg zu Jesus" - "Sturm der Leidenschaften" - "Fledermaus-Fallen und ihre Anwendung"). Ich entdecke ein kommentiertes Fotoalbum vom Bau des neuen Sanitärblocks und blättere interessiert darin herum.
Und dann wird mir plötzlich sehr unbehaglich zumute.

(Aus dem Inhalt)
Es war einmal ein schöner Sommertag in den Weihnachtsferien 2011/2012.
(Bilder von zahlreich zeltenden Kiwis, dampfende Barbecues im Hintergrund.)

Wir hatten gerade den Rohbau fertiggestellt.
(Bilder der noch sehr betonlastigen Küche; Männer mit strammen Waden in kurzen Hosen stolz in die Kamera lächelnd.)

Doch der Ferienausflug wurde zum Albtraum, als der Fluss in der Nacht anschwoll.
(Bilder abgesoffener Zelte im Schlammwasser, umgedrehter Autos und aus brauner Pampe ragender Palmenbaumspitzen.)

Ich klappte das Fotoalbum zu und rekapitulierte unsere Situation. Es regnete seit 15 Stunden ohne Pause. Allein innerhalb der vergangenen 60 Minuten war der Flusspegel sicher um einen halben Meter angestiegen. Unser Zelt stand in einer leichten Senke, wenige Schritte hinter dem Hauptgebäude, das vor fast einem Jahr bis unter die Türklinken voll Wasser stand. Nun fiel mir auch das Warnschild vor den Toiletten wieder ein. ("Achtung, das hier ist ein ziemlich flutgefährdetes Gebiet. Könnte sein, dass wir bei Gelegenheit evakuieren.")

Nachdem auch Isel einen Blick auf die beunruhigende Bildergeschichte geworfen hatte, packten wir uns flugs in die Regensachen ein und eilten (bergauf!) durch den Regen zum nahegelegenen Café, dessen Besitzer den Zeltplatz verwaltet. Halb erwartete ich einen entsetzten Aufschrei zu hören, als wir die warme Gaststube betraten ("JOHN!? Da sind noch Leute am Fluss??! Da darf doch niemand mehr sein, um HIMMELS WILLEN!!").
Stattdessen saßen John und seine drei Kolleginnen fröhlich schwatzend am Frühstückstisch, warfen uns ein "How are ya? Ziemlich nass, was?" entgegen und machten insgesamt einen eher unaufgeregten Eindruck. Also doch keine Katastrophe im Anmarsch, gegen Nachmittag ließ der Regen nach und am nächsten Morgen hatte der Fluss sein altes Bett wiedergefunden.
Ich war trotzdem froh, dass wir nun auf dem Weg nach Nelson waren - der sonnigsten Stadt Neuseelands.

Die ersten Tage auf der Südinsel waren also insgesamt recht rau. Doch je näher wir dem Abel Tasman Nationalpark kamen, desto wärmer und trockener wurde das Wetter. In Motueka blieben wir drei Tage und ließen es uns gutgehen. Wir unternahmen einen Kajak-Wanderausflug in den Nationalpark (weißsandige Buchten, tropischblaues Meer, dickbäuchige Touristen), verbrachten Stunden in der örtlichen Bibliothek und füllten im großen Countdown-Supermarkt unsere Vorräte auf für die Tour an die Westküste.
Die Route von Motueka über Murchison und entlang des Buller River bis nach Westport ist wunderschön. Zwar war unser Radführer in diesem Gebiet nicht immer zuverlässig (die Neuseeländer sind einfach zu sprunghaft und verkaufen ständig ihre Motels, Backpackers und Cafés - und wir stehen dann dumm vor dem "Sorry, we're closed"-Schild), aber das Wetter war gut und wir hatten ausreichend Verpflegung dabei. Der letzte Tag ins kohledunstige Westport war allerdings ziemlich anstrengend, da meine Schaltung sich weigerte auf das kleinste Ritzel zu wechseln und beleidigt heraussprang, wenn ich es trotzdem versuchte. Der Fahrradmensch in Westport hat es aber wieder einigermaßen hinbekommen (beim zweiten Versuch aber erst - vorher ist beim Probetreten erst mal die Kette gerissen...). Jetzt halten wir immer brav penibel unseren Antrieb sauber, damit alles läuft wie - haha - geschmiert. Merke: Deutsches Kettenöl ist böse, Neuseeland-Kettenwachs ist "the lubricant of choice". Allrighty!

Am nächsten Tag ging es an der wilden Westküste entlang nach Punakaiki, ein kleiner Ort nahe den berühmten Pancake Rocks. Die Felsen an der Küste bestehen hier aus unterschiedlich widerstandsfähigen Sedimentschichten und durch die Abschleifarbeit der Gezeiten sehen sie aus wie Pfannkuchenstapel. Standesgemäß gab es zum Frühstück fluffige Pancakes mit Sirup.

Allmählich näherten sich die Dezembertage dem Weihnachtsfest und wir begannen ein bisschen herumzurechnen und zu planen, wo wir die Festtage verbringen könnten. Eigentlich hatten wir von Greymouth aus eine Bustour zu den Gletschern Franz Josef und Fox machen wollen, ehe es mit dem Tranzalpine durch den Arthur's Pass Nationalpark nach Christchurch gehen sollte. Da aber die Westküste so toll und wir uns mittlerweile auch eine mittelschwere Passüberquerung zutrauten, beschlossen wir, doch den Highway 6 über Haast bis Wanaka zu fahren. Um aber dem Weihnachtstrubel an der Westküste zu entgehen (die Kiwis gehen zu Weihnachten alle campen!), fahren wir die Strecke nun einfach andersherum. Das heißt: Mit dem Zug von Greymouth über die Alpen nach Christchurch (w-u-n-d-e-r-s-c-h-ö-n!), dann bis ganz nach Süden und anschließend an der Westküste wieder hoch bis Greymouth.

Wir wollten vor dem Fest vor allem aus Christchurch herausfahren, der Ruhetag dort war ziemlich deprimierend. Die Innenstadt wurde im Februar 2011 durch das zweite Canterbury-Erdbeben massiv zerstört, in der sogenannten Red Zone stehen nur noch Ruinen. Zwar sind die Aufräumarbeiten in vollem Gange und viele Menschen aus Christchurch sind froh über die Fortschritte - aber für den Außenstehenden sieht alles einfach nur kaputt und verlassen aus. Wir waren wirklich froh, als wir die Stadt in Richtung Lake Tekapo verlassen konnten.

Und so kam es, dass wir den Heiligabend im beschaulichen Geraldine im südlichen Canterbury verbrachten. Im gemütlichen alten Kino sahen wir uns den "Hobbit" an, gaben endlich ein Teil unseres "Essensgeldes" (Geschenk der Freunde aus Weimar) für Steak und allerlei andere Köstlichkeiten aus und nutzen das schnelle W-Lan, um die herrliche 90er-Jahre-Weihnachtskomödie "Single Bells" auf YouTube zu gucken. Den Kiwis ist der 24.12. ja ziemlich wurscht, hier geht erst am Christmas Day (25.12.) die Weihnachtspost ab. Und am Boxing Day (26.12.) tauschen dann alle ihre Weihnachtsgeschenke um oder lösen ihre Gutscheine ein - das ist der umsatzstärkste Tag im Jahr (daher vermutlich der Name, nicht?). Das wiederum war uns ziemlich wurscht, wir fuhren mit dem Rad über den Burkes Pass zum Lake Tekapo. Von dort ging es der Canal Road entlang bis zum Lake Pukaki, an dessen Ende Neuseelands höchster Berg, der Mt. Cook (3755 Meter) in den Himmel ragt. Die Seen sind hier im Mackenzie Country wirklich unbeschreiblich blau, was die Fotos wie Postkartenretuschen aussehen lässt. Lonely Planet klärte uns auf, dass das am "Gesteinsmehl" liegt, das entstand als die Gletscher vorwitzig ins Tal drangen und sich ihre steinbeladene Unterseite am Boden aufschrammelten. Heute brechen die übriggebliebenen Partikelchen im See das Sonnenlicht und lassen das Wasser türkisblau leuchten.

Am 30.12. kamen wir in Cromwell an, wo wir zufällig wieder auf Diemut und Michael trafen, die beiden Fernradler aus Bückeburg. Sie hatten die Westküste von Norden aus in Angriff genommen und überlegten nun, nach Queenstown weiterzufahren. Unser Weg führte uns jedoch erst mal wieder in Richtung Osten - zu Neuseelands erstem richtigen Radweg, den Otago Central Rail Trail. 150 Kilometer einer alten Bahnstrecke sind dafür umgebaut worden und die Kiwis machen wirklich ein ganz schönes Tamtam darum. Insgeheim hatte ich mir ja vorgestellt, wie wir profimäßig trainiert an den übergewichtigen Hobbyradlern vorbeizischen und den Trail in zwei lockeren Tagen absolvieren.
Das sollte aber ein bisschen anders kommen.
Der Radweg hat zwar keine starken Steigungen (sonst wäre der Zug immer zurückgerollt, was blöd für die an der Endhaltestelle gewesen wäre), aber das Wetter war dafür ziemlich verrückt. Es wehte ein extrem starker Wind und die meisten leichter beladenen Radler auf kurzen Etappen (Gepäck lässt man sich fahren) schoben sich mitleidig guckend und aufmunternd grüßend an uns vorbei. Silvester gingen wir völlig fertig gegen 21 Uhr ins Bett. Landschaftlich ist Otago allerdings wirklich reizvoll und der Trail führt mitten hindurch. Es ging durch Schluchten und Tunnel, über Brücken und Viadukte. In Pukerangi stiegen wir dann in die Museumsbahn "Taieri Gorge Railway" aus den 1920er Jahren und fuhren hinein nach Dunedin, die erste schottische Siedlung des Landes.

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Hier verbringen wir nun drei Ruhetage (heute ist allerdings schon der letzte), ehe es an der Küste des Catlin Nationalparks entlang nach Invercargill geht. Mal sehen, ob wir auf dem Weg ein paar Robben, Wale oder Delfine zu Gesicht bekommen.

Hilfe zur Budgetplanung

Neben persönlicher Reiseerinnerungssammlung ist der Blog auch als kleine Planungshilfe für zukünftige Neuseelandradler gedacht. Deshalb mal wieder ein Eintrag mit hoffentlich nützlichen Infos - diesmal zum Thema Reisebudget. Wie viel Geld sollte man einplanen? Ich habe einfach mal zusammengetragen, was die größten Kostenblöcke sind.

1 Euro = ca. 1,63 NZD

Transport

Flug: 1000 EUR (Frankfurt - London - Singapur - Auckland - Sydney - Singapur - Frankfurt)
Fahrradmitnahme: 50 EUR British Airways | 90 AUS Dollar Quantas
Bus: ca. 25 NZD für 150 Kilometer zzgl. 10 NZD Fahrradmitnahme
Fähre (Picton - Wellington): 50 NZD zzgl. 10 NZD Fahrradmitnahme
Tranzalpine (Greymouth - Christchurch): 120 NZD zzgl. 10 NZD Fahrradmitnahme
Übernachtung

Motorcamp/Holiday Park: meist zwischen 15 und 20 NZD pro Person
Domain Camping: meist 10 NZD pro Person
DoC Camping: meist 6 NZD pro Person
Doppelzimmer oder Twin im Hostel: meist 60 bis 80 NZD
Fahrradwartung

Faltbarer Mantel: ca. 80 NZD
Ersatzspeiche plus Montage: ca. 25 NZD
Kettenwachs: ca. 20 NZD
V-Brake Bremsbacken: ca. 20 NZD pro Paar
Verpflegung

Lebensmittel sind im Durchschnitt ca. 15 bis 20 Prozent teurer als in Deutschland
Obst und Gemüse saisonal kaufen, dann teilweise recht günstig
Bier: ca. 5 NZD 600ml (1 Flasche) im Supermarkt
Wein: ab 10 NZD 750ml (1 Flasche) im Sparangebot
Take Away (Burger+Chips oder Fish+Chips): meist zwischen 6 und 8 Dollar pro Person (in klassischen Kiwi-Imbissen, nicht im Restaurant oder großen Städten)
Unterhaltung/Freizeit

Kino: ca. 15 NZD pro Person
Kleiner Milchkaffee im Café: ca. 4 NZD
Portion (single scoop) TipTop Eiskreme im Dairy: ca. 3 NZD (meist 2 Kugeln, manchmal 3)
Tagesausflug Abel Tasman (Kajak+Wandern+Wassertaxi): 155 NZD pro Person
1 Tag Kajakleihe ohne Guide in Picton: 60 NZD pro Person
Tagesausflug per Bus von Ahipara nach Cape Reinga inkl. Mittag: 55 NZD pro Person
Fahrt mit der Taieri Gorge Railway (einfache Strecke): 58 NZD pro Person
große Museen, Botanische Gärten usw. kosten oft keinen Eintritt, man gibt eine Spende
Shuttle Tongariro Alpine Crossing von Whakapapa: 35 NZD pro Person
Jetboating, Bungee, Fallschirmspringen: alles ausgelassen!
Man sollte als Radfahrer zu zweit ca. 100 NZD pro Tag einplanen. Wenn man meist selbst kocht, im Supermarkt auf Angebote achtet, auch mal auf Fleisch und Fisch verzichtet, wenig Zug und Bus fährt und sich bei den kommerziellen Ausflügen auf wenige persönliche Highlights beschränkt, sollte man damit zurecht kommen. Wir haben zudem ein paar neue Anschaffungen während der Tour getätigt (neues Zelt usw.) - da kann immer was kommen. Wer gern ein Bierchen im Pub trinkt, häufiger im Restaurant schmaust und die ein oder andere Nervenkitzelattraktion mitnimmt, sollte besser das Doppelte einplanen.

Coromandel Halbinsel nach Wellington mit den Fahrrad

Die Coromandel Halbinsel hat den Ruf extrem schotteriger und steiler Straßen. Eine der legendärsten Schotterrouten quer durch den dichten Urwald ist die K309 (behauptet Lonely Planet, muss also nichts heißen). Und nach einem halben Tag Auckland hatte uns scheinbar wieder die Abenteuerlust gepackt, jedenfalls haben wir uns jene 309 ausgesucht, um vom Anleger der Coromandel Fähre an die Ostseite der Halbinsel zu gelangen. Letztlich war es gar nicht so schlimm, hatten wir doch einen trockenen, sonnigen Tag erwischt. Zwar haben wir teilweise schieben müssen, da die Querneigung der Straße oft sehr stark und der Kies recht locker ist, aber ein bisschen dramatischer habe ich mir das schon vorgestellt. Im Norden der Insel sieht es jedoch sicherlich ganz anders aus (manche Autovermieter verbieten ihren Kunden dorthin zu fahren). Wir haben den Nordteil ausgelassen, da wir endlich einen sichtbaren Sprung nach Süden machen wollten. Mein Crossrad hat die 309 nicht ganz unversehrt weggesteckt, in Whitianga mussten wir wegen eines Speichenbruchs erstmal Stopp beim "Bike Man" machen. Der hat die Speiche auch recht fix repariert, aber die Anhängerkupplung hat ihn wohl irritiert. Jedenfalls war mein Hinterrad nicht richtig eingehängt, was wiederum die Schaltung zur Verweiflung (wildes Schalten ohne mein Zutun) brachte. Es dauerte gut eine Stunde voller komplizierter, aber erfolgloser Reparatur- und Justierversuche unsererseits, bis wir das entdeckt hatten. Da hat man schon mal einen Ingenieur dabei und dann sowas...

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Zwei Nächte verbrachten wir am postkartenidyllischen Hahei Beach. Von dort unternahmen wir einen Halbtagesausflug zum Hot Water Beach. Theoretisch kann man dort bei Ebbe einen kleinen Thermalpool in den Sand graben. Praktisch kommt man an den Strand, sieht die Einheimischen genüsslich im heißen Wasser garen, ein kühles Glas Sekt in der Hand, während vorwiegend deutsche und asiatische Touristen tiefe Löcher daneben graben, ohne auf eine warme Quelle zu stoßen ("...grab weiter, das wird schon noch warm...!). Merke: Das heiße Wasser spürt man direkt an der Oberfläche. Ist der Sand kalt, kann man sich das Graben sparen. Nachdem auch wir etwa ein Dutzend Löcher mit unserer Minischaufel (Profis bringen Spaten mit) gepickt hatten, gaben wir es auf. Als die Flut langsam zurück kam, badeten wir zumindest unsere Füße in den Überresten der erfolgreich gebuddelten Pools.

Am Nachmittag wanderten wir zur Cathedral Cove, einer traumhaften Felshöhle in einer kleinen Bucht mit irren Wellen, kleinen Vogelinseln und einem natürlichen Wasserfall. Wir waren außerhalb der Saison dort, deshalb waren nicht ganz so viele Touristen dort. Zwischen Dezember und Februar ist Coromandel insgesamt sehr überfüllt.

Am nächten Tag fuhren wir die Ostküste entlang nach Opoutere. Irgendwann blitzte in der Ferne ein Fahrradfahrer auf, dick mit Taschen beladen. Wir beschleunigten unseren Tritt, Weitradler trifft man wirklich nicht sehr oft. Er ließ sich jedoch nicht einholen, drehte sich nur ein paar Mal verstohlen um, ohne aber anzuhalten. Wir gaben schließlich auf, machten eine kleine Rast und ließen den kontaktscheuen Radler davon ziehen. Wenige Kilometer später hatten wir ihn jedoch wieder eingeholt, um dann eine ganzen Weile hinter ihm her zu fahren. Uns wurde ein bisschen mulmig zumute, da er manchmal absichtlich langsamer zu fahren schien, um dann wieder ein Stückchen davon zu rasen. Irgendwann ließ es sich nicht mehr vermeiden und wir trafen zusammen. Das Ende vom Lied: Der einsame Radler heißt Julian, kommt aus Dresden und sollte uns von dort aus eine Woche lang bis nach Rotorua begleiten.

Die Tage bis ins vulkanisch äußerst agile Landesinnere waren ziemlich windig und regnerisch. Vor allem die 80-Kilometer-Etappe von Te Ahora hinauf nach Rotorua war kräftezehrend. Glücklicherweise hat so ziemlich jeder Campingplatz vor Ort einen heißen Thermalpool und so konnten wir unsere kalten Glieder wieder aufwärmen.
Den folgenden Tag verbrachten wir in der Stadt, spazierten mit abgehaltenem Atem durch den kostenlosen Vulkanpark (es stinkt überall echt widerlich) und genossen einen angenehmen Sonnentag. Den großen Geysir haben wir uns nicht angeschaut. Rotorua ist ziemlich touristisch und um die größten Vulkanattraktionen anzugucken, muss man meist eine ganze Tour durch das nächstliegende Maoridorf buchen, inklusive "authentischer" Tanzperformance. Darauf hatten wir wenig Lust.

Am folgenden Tag regnete es wieder in Strömen und so verschob sich unsere Weiterfahrt nach Taupo. Wir verbrachten einen faulen Tag abwechselnd in der Lounge und der Küche des Campingplatzes.

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Lake Taupo, den wir nach zwei Radetappen erreichten, ist der größte See Neuseelands und eigentlich ein riesiger Vulkankrater. In der Zeitung hatte ich gelesen, dass Wissenschaftler in letzter Zeit steigende Wassertemperaturen gemessen hatten und deshalb die Vermutung nahe liegt, dass einer der Vulkane im Tongariro Nationalpark (da wo der Schicksalsberg liegt!) in nächster Zeit ausbrechen könnte. Etwas mulmig war mir entsprechend, als ich die schneebedeckten Gipfel das erste Mal in der Ferne sah. Und tatsächlich - nur zwei Tage nachdem wir in Richtung Napier aufgebrochen waren, spuckte der Tongariro wieder eine Aschewolke in den Himmel. Das hat aber scheinbar niemanden sonderlich beeindruckt (außer ein paar Wissenschaftler, die eigentlich auf einen anderen Vulkan getippt hatten). Wir erfuhren jedenfalls erst nach einem Telefonat mit der Heimat von der Eruption.

In Taupo blieben wir spontan einen Tag länger (so geht es uns jetzt öfter) und wanderten zu den Huka Falls am Waikato. Der eigentlich recht breite Fluss zwängt sich hier in einen schmalen Canyon und spült durchschnittlich 140.000 Liter pro Sekunde (= drei Olympische Schwimmbecken voll) über die einzelnen Stufen, um schließlich elf Meter in die Tiefe zu stürzen. Das Wasser nimmt dabei ein eisblaue Farbe an und das ist vor allem im Sonnenlicht wirklich sehr schön anzuschauen.

Der Weg nach Napier führte uns 140 bergige Kilometer entlang des State Highway 5, der einzigen Straße von Taupo direkt an die Ostküste. Das hatte ich mir mit all den Holzlastern sehr schrecklich vorgestellt. Aber ich sollte mich täuschen, die Strecke war herrlich. Wir fuhren durch eine ursprünglich bewachsene, roterdige Hochebene, passierten einen wunderschönen Wasserfall, übernachteten mehr oder weniger wild an einem kleinen Café und kamen erschöpft aber froh in Napier an.

Die Stadt wurde 1931 durch ein Erdbeben zerstört, aber kaum hatte sich der Staub gelegt, begann man auch schon mit dem Wiederaufbau. Innerhalb von zwei Jahren war die Stadt wiederhergestellt, inklusive des neuen Hafens (der alte lag nach dem Erdbeben nicht mehr richtig am Meer, was für einen Hafen etwas nachteilig ist). Alle am Aufbau beteiligten Architekten waren auf jeden Fall große Fans des damals modernen Art déco. Heute ist Napier eine der wenigen Städte, wo sich der Stil so durchgängig erhalten hat. Es fehlen nur noch Männer mit Hüten und Gamaschen und ein paar schwarze Limousinen und man könnte glauben, im Chicago der 1930er Jahre zu sein.

Das nächste große Ziel unserer Reise - Wellington - war nun nicht mehr weit. Von Napier folgten wir dem Highway 2 in Richtung Süden. Die Tage waren windig, aber warm und sonnig. Alles war prima, wir genossen die vorerst letzten Tage auf der Nordinsel. Dann kamen wir nach Waipukurau. Laut Radführer sollte es in dem kleinen Städtchen einen Campingplatz und ein Hostel geben. Als wir jedoch dort ankamen, hatte der Campingplatz geschlossen und vom Hostel hatte man noch nie gehört. Es war nach 16 Uhr, der nächste Platz zum Schlafen war 35 Kilometer entfernt. Die Touristinfo war schon dicht und so suchten wir Rat in der örtlichen Videothek. Carol, die Inhaberin, war gleich sehr hilfsbereit und rief eine Freundin an, die ein kleines B&B in der Nähe führte. Aber ausgerechnet an diesem Abend hatte sich dort eine Horde lederbejackter Motorradfahrer eingemietet und da wollte uns die gute Frau lieber nicht bei sich zelten lassen. Wir ließen die Schultern hängen und überlegten, zum vorhergehenden Ort zurückzufahren, als Carol uns spontan einen Zeltplatz in ihrem Garten anbot. Und so verbrachten wir einen lustigen Abend in einem echten Kiwi-Zuhause.

Wir fuhren bis Masterton und stiegen dort in den Zug nach Wellington. Den dichten Verkehr (und den Hügel) vor der Hauptstadt wollten wir uns ersparen. Wellington ist die südlichste Hauptstadt der Welt, fühlt sich aber gar nicht hauptstädtisch an. Alles ist etwas kleiner und irgendwie gemütlicher als in Auckland. Wir verbrachten dreieinhalb Tage in der Stadt. Vor allem das Te Papa, das große Nationalmuseum, hatte es uns angetan. Der Eintritt ist frei und so schlenderten wir jeden Tag ein paar Stunden durch die effektvoll gestalteten Ausstellungsräume (rüttelnde Häuser in der Erdbebenabteilung, Dschungelpfad mit Wildschweingrunzen und Vogelgezwitscher, ein schädlingsbefallener Schiffsladeraum). Eine der Hauptattraktionen ist übrigens ein etwas angegammelter Riesenoktopus in einer gelblichen Kunstharzmasse. Wir fanden es herrlich!

In unserem Hostel in Wellington trafen wir auch wieder auf Michael und Diemut, ein deutsches Ehepaar, das ebenfalls sechs Monate durch Neuseeland radelt. Wir sind den beiden ganz am Anfang im Northland begegnet und hatten damals nur kurz am Straßenrand die wichtigsten Eckdaten austauschen können (Wie lange? Wohin? Warum Neuseeland?). Nun verbrachten wir zusammen nette Abende auf dem "Sonnendeck" des Hostels. Es ist wirklich sehr schön, Gleichgesinnte zu treffen, vor allem wenn man wie in Wellington (oder Auckland) von schrecklichen, 19jährigen, deutschen Backpackern umzingelt ist. (Warum wollen die immer ALLE Anwesenden an ihren sinnentleerten Gesprächen - "Man war ich gestern breit, dabei wollte ich doch einen Job suchen" oder "Also ich strippe jetzt!" - teilhaben lassen? Vielleicht werde ich zu alt, aber gerade mit dem Abi fertiggewordenen Teenager, die mit Papis Geld eine "Weltreise" in sechs Monaten machen, gehen mir auf den Zünder. So.)

Und damit endet unser zweiter großer Reiseabschnitt. Im Dezember setzten wir mit der Fähre auf die Südinsel über - und dort geht das Abenteuer weiter. Aber davon das nächste Mal mehr!

Reiseroute - Neuseeland per Rad

Den ersten grossen Teil der Nordinsel haben wir hinter uns gelassen und sind am Donnerstag in Wellington angekommen. Wellingtons Spitzname ist "Windy Welly", und windig ist es wirklich. Uns hat's fast aus dem Vorgarten unseres Hostels geweht. Campingplaetze sind naemlich ganz schoen rar in der suedlichsten Hauptstadt der Welt - und da blieb fuer uns nur ein vier Quadratmeter grosses Stueckchen betonharte Wiese zum Zelten.

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Aber es war nett, ein paar Tage am Stueck in einer etwas groesseren Stadt zu verbringen. Zwar ist Wellington wirklich klein (man kommt immer irgendwie an der gleichen Strasse raus, egal wo man lang spaziert), aber fuer unsere zivilisationsentwoehnten Gemueter war es die richtige Portion Stadt.
Davon jedoch bald mehr, ich wollte heute nur - bevor es gleich auf die Faehre nach Picton geht - unsere Reiseroute im Detail posten. Alle Strecken, die gruen eingezeichnet sind, haben wir mit dem Fahrrad zurueckgelegt. Alle blauen Strecken sind Bus, Bahn oder Faehre.