Neuseeland per Fahrrad

Reiseberichte und Fotos zu einer fast 5000 Kilometer langen Fahrradtour durch Neuseeland. Dazu Tipps, Infos und vielleicht ein bisschen Inspiration zur Reiseplanung für künftige Neuseelandradler.

Coromandel Halbinsel nach Wellington mit den Fahrrad

Die Coromandel Halbinsel hat den Ruf extrem schotteriger und steiler Straßen. Eine der legendärsten Schotterrouten quer durch den dichten Urwald ist die K309 (behauptet Lonely Planet, muss also nichts heißen). Und nach einem halben Tag Auckland hatte uns scheinbar wieder die Abenteuerlust gepackt, jedenfalls haben wir uns jene 309 ausgesucht, um vom Anleger der Coromandel Fähre an die Ostseite der Halbinsel zu gelangen. Letztlich war es gar nicht so schlimm, hatten wir doch einen trockenen, sonnigen Tag erwischt. Zwar haben wir teilweise schieben müssen, da die Querneigung der Straße oft sehr stark und der Kies recht locker ist, aber ein bisschen dramatischer habe ich mir das schon vorgestellt. Im Norden der Insel sieht es jedoch sicherlich ganz anders aus (manche Autovermieter verbieten ihren Kunden dorthin zu fahren). Wir haben den Nordteil ausgelassen, da wir endlich einen sichtbaren Sprung nach Süden machen wollten. Mein Crossrad hat die 309 nicht ganz unversehrt weggesteckt, in Whitianga mussten wir wegen eines Speichenbruchs erstmal Stopp beim "Bike Man" machen. Der hat die Speiche auch recht fix repariert, aber die Anhängerkupplung hat ihn wohl irritiert. Jedenfalls war mein Hinterrad nicht richtig eingehängt, was wiederum die Schaltung zur Verweiflung (wildes Schalten ohne mein Zutun) brachte. Es dauerte gut eine Stunde voller komplizierter, aber erfolgloser Reparatur- und Justierversuche unsererseits, bis wir das entdeckt hatten. Da hat man schon mal einen Ingenieur dabei und dann sowas...

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Zwei Nächte verbrachten wir am postkartenidyllischen Hahei Beach. Von dort unternahmen wir einen Halbtagesausflug zum Hot Water Beach. Theoretisch kann man dort bei Ebbe einen kleinen Thermalpool in den Sand graben. Praktisch kommt man an den Strand, sieht die Einheimischen genüsslich im heißen Wasser garen, ein kühles Glas Sekt in der Hand, während vorwiegend deutsche und asiatische Touristen tiefe Löcher daneben graben, ohne auf eine warme Quelle zu stoßen ("...grab weiter, das wird schon noch warm...!). Merke: Das heiße Wasser spürt man direkt an der Oberfläche. Ist der Sand kalt, kann man sich das Graben sparen. Nachdem auch wir etwa ein Dutzend Löcher mit unserer Minischaufel (Profis bringen Spaten mit) gepickt hatten, gaben wir es auf. Als die Flut langsam zurück kam, badeten wir zumindest unsere Füße in den Überresten der erfolgreich gebuddelten Pools.

Am Nachmittag wanderten wir zur Cathedral Cove, einer traumhaften Felshöhle in einer kleinen Bucht mit irren Wellen, kleinen Vogelinseln und einem natürlichen Wasserfall. Wir waren außerhalb der Saison dort, deshalb waren nicht ganz so viele Touristen dort. Zwischen Dezember und Februar ist Coromandel insgesamt sehr überfüllt.

Am nächten Tag fuhren wir die Ostküste entlang nach Opoutere. Irgendwann blitzte in der Ferne ein Fahrradfahrer auf, dick mit Taschen beladen. Wir beschleunigten unseren Tritt, Weitradler trifft man wirklich nicht sehr oft. Er ließ sich jedoch nicht einholen, drehte sich nur ein paar Mal verstohlen um, ohne aber anzuhalten. Wir gaben schließlich auf, machten eine kleine Rast und ließen den kontaktscheuen Radler davon ziehen. Wenige Kilometer später hatten wir ihn jedoch wieder eingeholt, um dann eine ganzen Weile hinter ihm her zu fahren. Uns wurde ein bisschen mulmig zumute, da er manchmal absichtlich langsamer zu fahren schien, um dann wieder ein Stückchen davon zu rasen. Irgendwann ließ es sich nicht mehr vermeiden und wir trafen zusammen. Das Ende vom Lied: Der einsame Radler heißt Julian, kommt aus Dresden und sollte uns von dort aus eine Woche lang bis nach Rotorua begleiten.

Die Tage bis ins vulkanisch äußerst agile Landesinnere waren ziemlich windig und regnerisch. Vor allem die 80-Kilometer-Etappe von Te Ahora hinauf nach Rotorua war kräftezehrend. Glücklicherweise hat so ziemlich jeder Campingplatz vor Ort einen heißen Thermalpool und so konnten wir unsere kalten Glieder wieder aufwärmen.
Den folgenden Tag verbrachten wir in der Stadt, spazierten mit abgehaltenem Atem durch den kostenlosen Vulkanpark (es stinkt überall echt widerlich) und genossen einen angenehmen Sonnentag. Den großen Geysir haben wir uns nicht angeschaut. Rotorua ist ziemlich touristisch und um die größten Vulkanattraktionen anzugucken, muss man meist eine ganze Tour durch das nächstliegende Maoridorf buchen, inklusive "authentischer" Tanzperformance. Darauf hatten wir wenig Lust.

Am folgenden Tag regnete es wieder in Strömen und so verschob sich unsere Weiterfahrt nach Taupo. Wir verbrachten einen faulen Tag abwechselnd in der Lounge und der Küche des Campingplatzes.

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Lake Taupo, den wir nach zwei Radetappen erreichten, ist der größte See Neuseelands und eigentlich ein riesiger Vulkankrater. In der Zeitung hatte ich gelesen, dass Wissenschaftler in letzter Zeit steigende Wassertemperaturen gemessen hatten und deshalb die Vermutung nahe liegt, dass einer der Vulkane im Tongariro Nationalpark (da wo der Schicksalsberg liegt!) in nächster Zeit ausbrechen könnte. Etwas mulmig war mir entsprechend, als ich die schneebedeckten Gipfel das erste Mal in der Ferne sah. Und tatsächlich - nur zwei Tage nachdem wir in Richtung Napier aufgebrochen waren, spuckte der Tongariro wieder eine Aschewolke in den Himmel. Das hat aber scheinbar niemanden sonderlich beeindruckt (außer ein paar Wissenschaftler, die eigentlich auf einen anderen Vulkan getippt hatten). Wir erfuhren jedenfalls erst nach einem Telefonat mit der Heimat von der Eruption.

In Taupo blieben wir spontan einen Tag länger (so geht es uns jetzt öfter) und wanderten zu den Huka Falls am Waikato. Der eigentlich recht breite Fluss zwängt sich hier in einen schmalen Canyon und spült durchschnittlich 140.000 Liter pro Sekunde (= drei Olympische Schwimmbecken voll) über die einzelnen Stufen, um schließlich elf Meter in die Tiefe zu stürzen. Das Wasser nimmt dabei ein eisblaue Farbe an und das ist vor allem im Sonnenlicht wirklich sehr schön anzuschauen.

Der Weg nach Napier führte uns 140 bergige Kilometer entlang des State Highway 5, der einzigen Straße von Taupo direkt an die Ostküste. Das hatte ich mir mit all den Holzlastern sehr schrecklich vorgestellt. Aber ich sollte mich täuschen, die Strecke war herrlich. Wir fuhren durch eine ursprünglich bewachsene, roterdige Hochebene, passierten einen wunderschönen Wasserfall, übernachteten mehr oder weniger wild an einem kleinen Café und kamen erschöpft aber froh in Napier an.

Die Stadt wurde 1931 durch ein Erdbeben zerstört, aber kaum hatte sich der Staub gelegt, begann man auch schon mit dem Wiederaufbau. Innerhalb von zwei Jahren war die Stadt wiederhergestellt, inklusive des neuen Hafens (der alte lag nach dem Erdbeben nicht mehr richtig am Meer, was für einen Hafen etwas nachteilig ist). Alle am Aufbau beteiligten Architekten waren auf jeden Fall große Fans des damals modernen Art déco. Heute ist Napier eine der wenigen Städte, wo sich der Stil so durchgängig erhalten hat. Es fehlen nur noch Männer mit Hüten und Gamaschen und ein paar schwarze Limousinen und man könnte glauben, im Chicago der 1930er Jahre zu sein.

Das nächste große Ziel unserer Reise - Wellington - war nun nicht mehr weit. Von Napier folgten wir dem Highway 2 in Richtung Süden. Die Tage waren windig, aber warm und sonnig. Alles war prima, wir genossen die vorerst letzten Tage auf der Nordinsel. Dann kamen wir nach Waipukurau. Laut Radführer sollte es in dem kleinen Städtchen einen Campingplatz und ein Hostel geben. Als wir jedoch dort ankamen, hatte der Campingplatz geschlossen und vom Hostel hatte man noch nie gehört. Es war nach 16 Uhr, der nächste Platz zum Schlafen war 35 Kilometer entfernt. Die Touristinfo war schon dicht und so suchten wir Rat in der örtlichen Videothek. Carol, die Inhaberin, war gleich sehr hilfsbereit und rief eine Freundin an, die ein kleines B&B in der Nähe führte. Aber ausgerechnet an diesem Abend hatte sich dort eine Horde lederbejackter Motorradfahrer eingemietet und da wollte uns die gute Frau lieber nicht bei sich zelten lassen. Wir ließen die Schultern hängen und überlegten, zum vorhergehenden Ort zurückzufahren, als Carol uns spontan einen Zeltplatz in ihrem Garten anbot. Und so verbrachten wir einen lustigen Abend in einem echten Kiwi-Zuhause.

Wir fuhren bis Masterton und stiegen dort in den Zug nach Wellington. Den dichten Verkehr (und den Hügel) vor der Hauptstadt wollten wir uns ersparen. Wellington ist die südlichste Hauptstadt der Welt, fühlt sich aber gar nicht hauptstädtisch an. Alles ist etwas kleiner und irgendwie gemütlicher als in Auckland. Wir verbrachten dreieinhalb Tage in der Stadt. Vor allem das Te Papa, das große Nationalmuseum, hatte es uns angetan. Der Eintritt ist frei und so schlenderten wir jeden Tag ein paar Stunden durch die effektvoll gestalteten Ausstellungsräume (rüttelnde Häuser in der Erdbebenabteilung, Dschungelpfad mit Wildschweingrunzen und Vogelgezwitscher, ein schädlingsbefallener Schiffsladeraum). Eine der Hauptattraktionen ist übrigens ein etwas angegammelter Riesenoktopus in einer gelblichen Kunstharzmasse. Wir fanden es herrlich!

In unserem Hostel in Wellington trafen wir auch wieder auf Michael und Diemut, ein deutsches Ehepaar, das ebenfalls sechs Monate durch Neuseeland radelt. Wir sind den beiden ganz am Anfang im Northland begegnet und hatten damals nur kurz am Straßenrand die wichtigsten Eckdaten austauschen können (Wie lange? Wohin? Warum Neuseeland?). Nun verbrachten wir zusammen nette Abende auf dem "Sonnendeck" des Hostels. Es ist wirklich sehr schön, Gleichgesinnte zu treffen, vor allem wenn man wie in Wellington (oder Auckland) von schrecklichen, 19jährigen, deutschen Backpackern umzingelt ist. (Warum wollen die immer ALLE Anwesenden an ihren sinnentleerten Gesprächen - "Man war ich gestern breit, dabei wollte ich doch einen Job suchen" oder "Also ich strippe jetzt!" - teilhaben lassen? Vielleicht werde ich zu alt, aber gerade mit dem Abi fertiggewordenen Teenager, die mit Papis Geld eine "Weltreise" in sechs Monaten machen, gehen mir auf den Zünder. So.)

Und damit endet unser zweiter großer Reiseabschnitt. Im Dezember setzten wir mit der Fähre auf die Südinsel über - und dort geht das Abenteuer weiter. Aber davon das nächste Mal mehr!